Lauftagebuch

Läuferischer Jahresrückblick

2021 trudelt langsam aus – Zeit auf ein für mich bewegtes Laufjahr zurückzuschauen. Ein Jahr, in dem ich mich nach einer längeren Phase des „Auf-der-Stelle-Tretens“ endlich wieder verbessern konnte, erstmals die Furcht vor dem Marathon ablegen konnte und die ultralangen Distanzen für mich entdeckte. Endlich habe ich das Gefühl, dass mein Training Früchte trägt und ich auf einem neuen Niveau angekommen bin. Und sei es nur die Fähigkeit, längere Strecken ohne Pause zu laufen.

#rwJanuarStreak und mein erster Trainingsmarathon

Urkunde vom #rwjanuarstreak
Urkunde für den #rwJanuarStreak

Das Jahr begann für mich mit einer Challenge der Runner’s World, bei der ich an jedem Tag des Januars mindestens 1,6 km laufen musste. Es war für mich das erste Mal, dass ich überhaupt einen Streak lief. Ich halte nicht viel davon, auch wenn ich gerne und viel laufe. Trainingstechnisch ist das dauernde Laufen einer positiven Leistungsentwicklung abträglich. Dennoch konnte ich der Aktion etwas abgewinnen: War ich erst einmal in Bewegung, machte ich in der Regel mehr als die 1,6 km und sammelte reichlich Kilometer. So kam ich auf einen Monatsschnitt, den ich erst einmal in meinem Läuferleben übertroffen hatte – direkt vor meiner Bestzeit in Mainz.

Mehr Bedeutung als der Streak hatte für mich aber etwas anderes. An meinem 40. Geburtstag hatte ich damit begonnen, mein Alter zu laufen. Und weil ich in diesem Jahr 41 wurde, standen ebensoviele Kilometer auf dem Programm. Doch weil es entsprechend gut lief, entschied ich mich während des Laufs spontan für einen Trainingsmarathon. Die Gelegenheit erstmals im Training die Marathondistanz zu schaffen, wollte ich nicht verpassen. Seit Jahr und Tag trage ich an der Bürde, auf den letzten Kilometern eines Marathons stets Probleme zu bekommen. Doch diesmal blieb ich von allen bekannten Problemen verschont und wartete vergebens auf den Mann mit dem Hammer. Es war der Beginn einer Entwicklung, die ich selbst nicht erwartet hatte oder die absehbar war.

Am Ende meines Geburtstagsmarathons
Am Ende meines Geburtstagsmarathons

Mit vier gebrochenen Rippen hatte ich im Vorjahr gut zwei Monate mit dem Laufen pausieren müssen und erst im Dezember den Wiedereinstieg geschafft. Und jetzt war mir nach einem Monat bereits ein Marathon unter vier Stunden gelungen.

Der erste Ultralauf

Anfang Februar wollte ich es dann wissen: Bei einem Ausflug zum Schloss Marienburg fiel mir auf, dass sie von Hannover nur einen Marathon entfernt lag. Und weil sich mein Selbstvertrauen seit dem Januar verändert hatte, schien mir das plötzlich als machbares Ziel. Zuhause vermaß ich die Strecke von meinem Wohnort in der Nähe Hannovers und fasste einen Plan: Ich wollte 44 km von meiner Haustür bis zum Burgtor laufen. Es sollte mein erster Lauf werden, der länger als 42 km war. Mein erster Ultralauf, wenn man so will. Wenngleich die Ultradistanzen oft erst ab 50 km so richtig zählen. Für mich war es dennoch ein unbeschreiblich gutes Gefühl. Ich hatte meinen Geburtstagsmarathon bestätigt und damit auch meine Zweifel ausgeräumt, dass es sich vielleicht nur um eine Eintagsfliege gehandelt hatte. Klar, ich hatte zum Ende größere Probleme, musste nach der 40-km-Marke zwei oder drei Pausen einlegen, aber ich schaffte es in einer respektablen Zeit und ohne größere Schwierigkeiten.

Nach 44 km vor dem Schloss Marienburg

Schnell steckte ich mir neue Ziele. Mein nächster Versuch sollte mich nach Hildesheim führen. Allerdings erst im zweiten Anlauf. Nach einem abgebrochenen Lauf schaffte ich Anfang März die 47 km mit Kratzen und Beißen. Im gleichen Monat folgten noch ein ähnlich schwieriger Lauf nach Braunschweig über 45 km und ein Marathon am Altwarmbüchener See. Letzterer war Teil meiner Teilnahme bei der #runforfood Challenge, bei der ich an einem Wochenende insgesamt 75 km lief.

Weltkulturerbe – Vor dem Dom in Hildesheim

Erster Platz beim Kolshorner Trailmarathon und ein doppelter Marathon

Der April startete für mich mit einer weiteren Premiere. Beim 1. Kolshorner Trail-Marathon siegte ich in einer Zeit von 3:33 Std., es war mein erster Sieg in einem Laufwettbewerb überhaupt und natürlich hätte die Zeit bei einem gewöhnlichen Marathon nicht einmal für einen Platz unter den ersten Tausend genügt. Aber bei einem Starterfeld von acht Teilnehmern, sah die Sache anders aus. Zudem war es nach meinem enttäuschenden Marathon in Köln – dem letzten echten Wettkampf, den ich vor den Corona bedingten Absagen noch laufen konnte – der erste Fingerzeig, dass es wieder aufwärts ging.

Sieger des 1. Kolshorn Marathon
Zieleinlauf - #beatTheDate
Zieleinlauf – #beatTheDate

Als zweiten Höhepunkt empfand ich im April meine bisher gewagteste Laufaktion. Mangels Laufwettbewerben suchen sich Läufer überall ihre eigenen Herausforderungen. So auch ich. Für den Sonntag hatte ich mit einem Teil der Botschafter geplant, den diesjährigen Hannover Marathon virtuell auf der Originalstrecke zu laufen. Tags zuvor aber hatte ich kurzfristig noch einen Lauf zum Wisentgehege in der Nähe von Springe geplant. Entfernung: Knapp 47 km. Ich hatte meine Frau ins Boot geholt und mich ihrer Rückendeckung versichert, dann setzte ich den Plan in die Tat um, wunderte mich über mich selbst und hatte erneut das Gefühl, ein neues Level erreicht zu haben.

Erstmals 50 km

50 km auf der Uhr

Nach einem ruhigen Mai, erreichte ich im Juni wirklich ein neues Level und lief 51 km ohne Pause bis zum Steinhuder Meer. Eine Leistung, die für mich bis dahin unvorstellbar und unerreichbar schien. Die Strecke hatte mir keine Probleme gemacht und ich bereits nach 40 km gewusst, dass ich es schaffen würde. Für mich selbst ein kleiner Traum, der in Erfüllung ging. Garmin spendierte mir dafür erstmals das Abzeichen „Ultra“. Jetzt durfte ich mich wirklich als Ultraläufer fühlen. Fast – eine Sache fehlte mir dafür noch.

Die Zeit war nun reif für meinen ersten richtigen Ultramarathon. Da kam der Schweriner Seentrail gerade gelegen. Die Auswahl an Läufen war nicht allzu groß und so war ich glücklich, dass dieser spezielle Lauf durch die Pandemie auf den August verlegt worden war. Nicht nur schienen mir die 61 km machbar, wir haben auch Verwandte in Schwerin. So kannte ich wenigstens den Wettkampfort und hatte eine Gelegenheit zur Übernachtung.

Der erste offizielle Ultralauf

Noch lässt es sich gut laufen, gleich wird es ein echter Traillauf © ttfoto.de
Noch lässt es sich gut laufen, gleich wird es ein echter Traillauf © ttfoto.de

Der Sommer war geprägt von verschiedenen Trainingsläufen, die allerdings bei weitem nicht so erfolgreich verliefen wie mein Lauf zum Steinhuder Meer. Im Gegenteil: Ich stagnierte und erreichte nicht mehr die Distanz, die ich im Juni vorgelegt hatte. Vielleicht war die Hitze Schuld, vielleicht erwischte ich nie den richtigen Tag. Wie dem auch war, bei mir entstand Unsicherheit und Frust. Wären da nicht einige passable Läufe gewesen, ich hätte an der Teilnahme gezweifelt. Zumal zum Zeitpunkt des Laufs im August Hitze drohte. Das bereitete mir großes Kopfzerbrechen.

Als die Zeit endlich gekommen war, sollte es zu meiner großen Freude leichten Regen geben und der Himmel bewölkt sein. Aber Pustekuchen. Pünktlich zum Start strahle die Sonne bereits vom Himmel. Aber was sollte ich machen als mein Glück zu versuchen? Ich machte mich auf die große Runde um den Schweriner See. Sechseinhalb Stunden später konnte ich mich nun endgültig Ultraläufer nennen. Finisher eines echten Ultralaufs! Auch wenn ich um Gehpausen nicht umhin kam. Das Geläuf war dazu sogar recht schwierig.

Angriff auf die Marathonbestzeit

Mit dem Münster Marathon stand im September der erste und einzige echte Versuch an, meine Marathonbestzeit zu verbessern. Es war gleichzeitig der erste Stadtmarathon seit 2019 in Köln. Wie hatte ich Läufe dieser Art vermisst! Die Zuschauer an der Strecke erinnerten mich daran, was ich an diesen Großveranstaltungen liebte und wurde von der Euphorie lange auf Bestezeitkurs gehalten. Am Ende reichte es mit 3:22:59 Std. nur für meine drittbeste Zeit. Immerhin jedoch die erste offizielle Sub-3:30-Zeit seit mehr als zwei Jahren.

Beim Münster Marathon 2021

Kurz darauf war allerdings schon wieder Schluss mit lustig. Manchmal schreibt das Leben Geschichten, die einem keiner abnimmt. Doch fast exakt ein Jahr nach meinem vierfachen Rippenbruch, zog ich mir erneut auf der selben Seite des Brustkorbs einen doppelten Rippenbruch zu. Diesmal jedoch waren es andere Rippen, die betroffen waren. Damit hat jetzt so gut wie jede Rippe auf der rechten Seite meines Brustkorbs eine Fraktur hinter sich.

Im Gegensatz zur vorigen Verletzung, war diese glimpflicher und ich konnte bereits nach einem Monat wieder die Laufschuhe schnüren. Wunderdinge vollbrachte ich zunächst nicht, dafür musste ich zuerst den Trainingsrückstand aufholen. Doch ich hatte noch einen Pfeil im Köcher. Seit 2020 hatte ich bereits eine noch immer gültige Anmeldung für den Halbmarathon in Lissabon sowie einen Fluggutschein. Tatsächlich sollte der Lauf nach der x-ten Verschiebung Ende November stattfinden und ich bekam grünes Licht von meiner Frau. Keine Selbstverständlichkeit mit sechs Monate alten Zwillingen und vier weiteren Kindern.

Bestzeiten in Lissabon

Medaille des 30. edp Lissabon Halbmarathons
Medaille des 30. edp Lissabon Halbmarathons

Es sollten ein denkwürdiger Lauf und ein ebenso denkwürdiges Wochenende für mich werden. Allein der Start mit meinem besten (Lauf)-Buddy auf der Brücke des 25. April wäre die Reise wert gewesen. Am Ende fielen bei mir – begünstigt durch das Gefälle der Brücke – die Bestzeiten über 5 und 10 km, was mir besonders in Bezug auf letztere unglaublich wichtig war, weil ich erstmals die Schallmauer von 40 Minuten unterbieten konnte. Dabei verpassten wir sogar beinahe den Start.

Ein Dezember der Superlative

Beflügelt von den neuen Bestzeiten hielt ich das Trainingspensum im Dezember hoch. Begünstigt auch durch das Schlafverhalten meiner Zwillingsmädchen, die ihren Mittagsschlaf am besten im Croozer abhielten. Dadurch spulte ich Kilometerumfänge ab wie nie zuvor in meinem Leben und startete dann am Ende des Monats innerhalb von fünf Tagen zu zwei Läufen über je 50 km – den ersten seit dem Schweriner Seentrail. Dabei verbesserte ich auch meine Bestzeit über diese Distanz recht deutlich. Von zuvor ca. fünf Stunden auf 4:39:32 Std. (ohne Fotopause). Getrieben von dem Wunsch, 4.000 Jahreskilometer zu schaffen, wurde der Dezember bei weitem der Monat, mit meiner größten Laufleistung überhaupt. Über 560 km sammelte ich allein in diesem Monat! Am Ende des Jahres standen ganze 17 Läufe über 40 km, drei davon über 50 km und einer über 60 km.

Am Kloster Wienhausen auf dem Weg zu meinem zweiten 50-km-Lauf

Was am Ende wirklich zählt

Überstrahlt wird das alles natürlich von einem Ereignis – der Geburt unserer Zwillinge im Mai! Bei aller Laufliebe, bleibt die Liebe zu meinen Kindern und meiner Frau die mit Abstand größte.

Was wirklich wichtig ist

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