Fastest Known Time auf dem Seven Hanging Valleys Trail in Portugal
Wettkampfberichte

Der Seven Hanging Valleys Trail

Portugal Teil 2: Erstaunlich, wie schnell ich den Lauf auf dem Fishermen’s Trail weggesteckt habe. Ich fühlte mich verpflichtet, die Zeit „sinnvoll“ zu nutzen, wenn ich schon hier war. Direkt nach den 78 km auf dem Küstenwanderweg absolvierte ich einen kurzen Shake-out-Run, nach dem Umzug nach Lagos, dann sogar 17 km mit fast 500 Höhenmetern. Ich konnte einfach nicht stillhalten. Wetter und Landschaft waren einfach zu verlockend.

Zaudern vor dem Kampf mit der Uhr

Heute allerdings merke ich ein gewisses Zögern und Zaudern. Ich schiebe vor mir her, was ich fest für heute geplant habe. Einerseits bin ich etwas platt. Mit Sightseeing bin ich gestern auf 30.000 Schritte gekommen. Das macht sich bemerkbar. Wahrscheinlich ist aber andererseits auch, dass ich dem Wettlauf gegen die Uhr aus dem Weg gehen will.

Das Ziel für heute lautet: Fastest Known Time auf dem Seven Hanging Valleys Trail. Nur etwas weniger als sechs Kilometer lang, scheint der Trail einigermaßen anspruchsvoll zu sein. Das lässt sich an den amtierenden Bestzeiten in den verschiedenen Kategorien ablesen. Keine liegt unter einer Stunde und zehn Minuten, also etwa bei einer 6er-Pace. Das lässt Rückschlüsse auf die Schwierigkeit des Trails zu. Auf einen Sonntagsspaziergang sollte ich nicht hoffen.

Vorbereitet habe ich mich nicht speziell, mein Fokus lag auf dem Fishermans’s Trail. Auch danach war ich zu faul, mich damit zu befassen. Nicht einmal über das Höhenprofil habe ich mich informiert, nur immer wieder von der Schönheit der Algarveküse gelesen. Unter anderem führt der Trail über die spektakuläre Höhle von Benagil. Ich bin gespannt.

Vor dem Start eine kleine Odyssee

Wegweiser des Seven Hanging Valleys Trails
Wegweiser des Seven Hanging Valleys Trails

Zumindest bzgl. der Anfahrt hätte ich mich besser vorbereiten sollen. Nach einer halben Stunde Fahrt glaube ich am Startpunkt zu sein, parke direkt am westlichen Ende des Trails. Als ich starten will, signalisiert mir die Uhr, dass ich mich vier Kilometer vom Startpunkt befinde. Ich befinde mich am falschen Ende, muss nach Osten. Eine kleine Irrfahrt und weitere 30 Minuten später bin ich am Ziel. Oder besser: Am Start.

Inzwischen ist es Mittag und obwohl es Anfang Februar ist, dürften es in der Sonne mehr als 20 °C sein. Würde ich nicht laufen müssen, wäre das toll. So viel weiß ich über den Trail dann doch, er verläuft exponiert am Rande der Steilküste ohne jeglichen Schutz vor der Sonne. Der Bewuchs ist allenfalls hüfthoch. Nun gut, ich werde es überleben. Nach den 78 km vom Dienstag fühle ich mich für alles gerüstet.

Der Startpunkt befindet sich am Fuße einer hölzernen Treppe. Kurz noch wappne ich mich für die nächsten 70 Minuten. Dann schieße ich los wie von der Tarantel gestochen, während Touristen Selfies schießen. Das leicht abschüssige Gelände hilft bei meinem schnellen Start.

Blick vom Startpunkt des Seven Hanging Valley Trails auf den Atlantik
Blick vom Startpunkt des Seven Hanging Valley Trails auf den Atlantik

Weg finden, Tempo finden

Probleme macht mir die Streckenfindung. Über das Plateau ziehen sich kreuz und quer verschiedene Trampelpfade und wegen akuter Stolpergefahr kann ich nicht ständig auf die Navigation der Uhr blicken. Der Untergrund ist steinig und uneben, es geht hoch und runter durch Büsche und Sträucher.

Nach einigen hundert Metern beschließe ich, mich nicht weiter zu stressen und vertraue auf die Wegweiser. Solange ich das Meer zu meiner Linken habe, sollte ich mich auf dem richtigen Weg befinden. Zumindest grob. Scheinbar gelingt es mir, ein gutes Tempo zu finden. Den ersten Kilometer bringe ich nach 5:39 min hinter mich, den zweiten nach 5:04 min. So kann es gerne weitergehen.

Das Tempo ist ziemlich gut angesichts des schwierigen Geländes. Kurz vor der Höhle von Benagil ist ein relativ steiler Anstieg zu bewältigen, dahinter dann eine schwierige Abwärtspassage. Mehr als die weiträumige Absperrung rund um das große Loch im Boden, durch das man in die Höhle blicken kann, sehe ich. Betreten lässt sich die Höhle ausschließlich vom Meer.

Auf Abwegen

Zum Ort Benagil geht es steil über eine asphaltierte Straße. Ich presche in Richtung Strand, dann durch eine Haarnadelkurve und wieder hinauf. 50 m später kehre ich schleunigst um, weil ich auf Abwegen bin. Ich hätte über den Strand gemusst und darüber die Treppen hinauf. Das Auf-und-Ab ist gewöhnungsbedürftig. Ein kurzes Stück führt der Trail entlang der Klippenkante, ehe es wieder fast ganz hinab zum Meer geht zum Praia do Carvalho . Dritter Kilometer in 6:17 min. Au Backe!

Wieder führen Treppenstufen hinauf, der Seven Hanging Valleys Trail verläuft hier zwischen dem Meer einerseits und Villen mit vermutlich bester Aussicht auf der anderen Seite. Atemberaubend ist für mich beides, der Blick und der Verlauf des Trails. Der vierte Kilometer lässt sich verhältnismäßig anständig laufen und ich lege eine 5:20 min hin. Mir scheint alles wieder im Lot. Wenn das so weitergeht, komme ich gut durch und unterbiete die Bestzeit bequem.

Hinter dem Praia do Vale Espinhaço muss ich kurz klettern und weil es so eng ist, auch ein paar Touristen ausweichen. Das ist überhaupt Teil der Herausforderung: An vielen Stellen muss ich Single Trails nehmen und bin auf die Rücksichtnahme der Wanderer angewiesen.

Bisher kann ich mich nicht beklagen. Wenn es geht, weiche ich aus, ansonsten setze ich darauf, dass mir die Wanderer den Vortritt lassen. Trotzdem wäre es klug gewesen, wenn ich früher losgelaufen wäre. Der Trail wäre leerer und es wäre auch bedeutend kühler. Schweiß klebt jetzt schon überall auf meinem Körper, meine Cap ist durchnässt.

Vorbei am Leuchtturm und zurück

Gut laufbarer Abschnitt des Seven Hanging Valley Trails
Gut laufbarer Abschnitt des Seven Hanging Valley Trails

Es folgt der Farol de Alfanzina, ein Leuchtturm mit hübscher roter Spitze auf dem Rand der Klippe. Irrtümlich hatte ich ihn zwischenzeitlich als Startpunkt angesteuert, kenne ich deswegen schon von vorhin. Es ist ein kurzes Stück ebener Weg, der um den Leuchtturm führt und sich dahinter fortsetzt.

Dann ist der fünfte Kilometer beendet in 5:57 min. Das Ende des Hinwegs kann nicht mehr weit sein. Der Weg bleibt ganz gut laufbar. Rechts von mir huschen zwei herrenlose Hunde durchs Gebüsch, interessieren sich aber glücklicherweise nicht für mich. Es gibt da so eine gewisse Vorgeschichte mit mir und Hunden. Seit Dienstag hat mein ohnehin gespaltenes Verhältnis zu Hunden noch einmal gelitten.

Eine lange Serie von Treppen bringt mich zum westlichsten Punkt der Strecke. Jetzt bin ich da, wo ich vorhin starten wollte. Direkt nach der Wende piept die Uhr – sechs Kilometer geschafft. Die Treppen haben Zeit gekostet: 6:36 min. In umgekehrter Richtung kosten sie noch mehr Zeit und sind um einiges härter. Das lässt sich auch an der Zeit für den nächsten Kilometer ablesen, er ist noch einmal fünf Sekunden langsamer. Will ich die Bestzeit schlagen, muss ich mich ranhalten.

Hunde als Pacemaker

Der Leuchtturm Farol de Alfanzina
Der Leuchtturm Farol de Alfanzina

Auf dem Weg zum Leuchtturm laufe ich etwas zu hart an der Kante der Klippe, folge ungewollt einem Trampelpfad übermütiger Touristen, der plötzlich hoch über dem Meer endet. Eine kleine Kletterei bringt mich zurück auf den offiziellen Weg. Jetzt aber hurtig.

Schnell lasse ich den Leuchtturm hinter mir, eile weiter zum Praia do Vale Espinhaço. Da sind sie plötzlich wieder! Das hündische Duo ist vor mir auf dem Weg und mir stockt kurz der Atem. Keine Zeit für Mätzchen, weiter. Die Vierbeiner trotten abseits des Pfades und ich laufe nicht unmittelbar an ihnen vorbei. Das ist mir sehr recht, ich will sie nicht zu einer Verfolgungsjagd animieren.

Der Abstieg ist schwierig, steinig und steil. Schnelles Laufen kann ich eigentlich vergessen, doch als ich der beiden abgehängt geglaubten Hunde hinter mir gewahr werde, geht es trotzdem – Kilometer acht: 5:47 min. Die Hunde haben mich vorangetrieben. Ich bin froh, dass mir auf der Passage auf der anderen Seite der Bucht Touristen entgegen kommen. Sollen die doch mit den Hunden spielen.

Praia do Vale Espinhaço
Praia do Vale Espinhaço

Der Vorsprung schmilzt

Immer noch bin ich davon überzeugt, die Bestzeit auf dem Trail locker zu unterbieten. So sicher, dass ich etwas abbremse um kurz vor dem Praia do Carvalho ein wackelfreies Foto schießen zu können. So viel Zeit soll sein, die Ausblicke sind es definitiv wert. 6:11 min für Kilometer Nummer neun. Die Kilometer werden entweder länger oder ich langsamer.

Fotostopp kurz vor dem Praia do Carvalho
Fotostopp kurz vor dem Praia do Carvalho

Der zehnte Kilometer wird nicht besser, also nicht schneller. Es geht an der Höhle von Benagil entlang und dann die Treppen herab zum Strand, der meine Füße festzuhalten scheint. Ist ja nur ein kurzes Stück, dann die Straße hoch. Die Steigung ist einfach nur brutal, locker im zweistelligen Bereich und zu viel, als dass ich laufen könnte. Piep! Die Uhr meldet sich mit einer 6:28 min.

Was mich verstört ist die Gesamtzeit. Habe ich das richtig gesehen? Knapp nur unter einer Stunde? Es wird dringend Zeit, die Beine in die Hand zu nehmen. Beinahe übersehe ich den schmalen Durchlass zwischen einem Restaurant und einem Zaun, weil ich mich nicht mehr an den Hinweg erinnern kann. Sauerstoffarmut im Hirn? Egal, ich nehme den Anstieg im Galopp. Dann spielt mir das Gelände in die Karten, es wird leicht abschüssig.

Der Wettlauf geht in die finale Phase

Weiterhin muss ich höllisch aufpassen, wohin ich trete, will ich nicht zur Belustigung der Wanderer eine Bauchlandung hinlegen. Mit den langsam sehr müden Beinen springe ich nicht mehr so beschwingt von Stein zu Stein. Dem Aussichtspunkt bei Kilometer 11 schenke ich weniger Aufmerksamkeit als der Zeit, die ich für die letzten 1.000 m benötigt habe. Mit 5:35 min bin ich wieder im Spiel!

Wenn es volle 12 km sind, werde ich es voraussichtlich nicht schaffen. Der Track hatte weniger, doch kann ich mich nicht an die exakte Länge erinnern. Ich hatte einfach nicht vorausgeahnt, dass das so eng werden würde. Es hängt jetzt davon ab, wie weit es noch ist, wie lang der kleine Abstecher war, den ich am Strand von Benagil gemacht habe.

Was die Beine hergeben, hole ich aus ihnen heraus. Es ist jetzt wirklich ein echtes Rennen gegen die Uhr. Zuerst geht es noch einige hundert Meter leicht abwärts, dann verschärft hinauf. Wieder ist das Gelände im zweistelligen Bereich ansteigend – das ist verdammt hart. Eine gefühlte Ewigkeit verstreicht, bis ich die hölzernen Treppen, an denen ich gestartet bin, sehe. Laktat lässt meine Muskeln brennen.

Eine Frage von Sekunden

Wo ist endlich der Endpunkt? Am Startpunkt bin ich bereits vorbei geprescht, dann spielt die Garmin am Handgelenk eine Melodie und verkündet: „Lauf beendet“. Keuchend hämmere ich auf die Uhr und prüfe meine Endzeit. Eine Stunde, zehn Minuten und fünfunddreißig Sekunden. Auf Anhieb kann ich nicht sagen, ob ich schnell genug war. Bei 1:10 Std. lag auch die bisherige Bestzeit, die Sekunden habe ich nicht im Kopf. Es ist eine Frage von Sekunden.

Wer hätte gedacht, dass es darauf ankommt? Meine Herren, war das anstrengend. Der Seven Hanging Valleys Trail war sehr viel schwieriger als ich ihn mir vorgestellt hätte. 500 Höhenmeter habe ich auf der relativ kurzen Strecke – 11,91 km sind es am Ende lt. Uhr inkl. des kurzen Abstechers – gesammelt. Das ist eine Menge.

Auf einer Bank liegend atme ich durch, erst dann überprüfe ich im Internet, ob es genügt hat. Bange Momente vergehen, ehe die Seite geladen hat. Es war so oder so viel knapper als erwartet. Dann ist die Seite geladen – 1:10:57 Std.! 22 Sekunden war ich schneller! Puh, ich bin erleichtert. Und ganz schön erledigt.

Bestätigt - Fastest Known Time auf dem Seven Hanging Valleys Trail
Bestätigt – Fastest Known Time auf dem Seven Hanging Valleys Trail

Sight Run

Ich entschließe mich, noch ein paar Kilometer auszulaufen, die Belastung war hoch. In einem großen Bogen gelange ich noch einmal auf den Trail. Diesmal habe ich es nicht eilig und schaue mir die Höhle von Benagil so gut an, wie es von oben aus machbar ist, genieße die Ausblicke auf das glitzernde Meer.

Auslaufen an der Höhle von Benagil
Auslaufen an der Höhle von Benagil

Am Ende wartet ein alter Citroen, der zu einem kleinen Imbiss umgebaut ist. Das Käsesandwich, auf das ich mich seit dem Loslaufen gefreute habe, gibt es nicht. Es ist Nebensaison. Ich belasse es bei einem Getränk, dass ich ganz in Ruhe im Schatten sitzend genieße – an einem der schönsten Orte, die man sich zum Laufen aussuchen kann. Einem Ort, an dem ich jetzt zumindest für eine Weile meinen Fußabdruck hinterlassen habe.

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