Bereits zum vierten Mal in Folge war ich in diesem Jahr beim Benther-Berg-Lauf über die etwas ungewöhnliche Distanz von 21,8 km am Start. Der Lauf ist inzwischen fester Bestandteil in meinem Laufkalender. Diesmal war die Vorfreude aus zwei Gründen besonders groß. Erstmals begleiteten mich auch meine Kinder und starteten über verschiedene Kurzdistanzen. Zudem war es für mich der erste Wettkampf, den ich als offizieller Botschafter des HAJ Hannover Marathons 2020 bestritt.
Irgendwie habe ich eine Schwäche für den Hügel am Rande Hannovers, auch wenn das Auf-und-Ab des Laufes für mich als Flachlandläufer komplett ungewohnt ist. Bis auf die ein- oder andere Brücke gibt es auf meinen Trainingsstrecken keine Anstiege. In Benthe ist das anders. Da geht es vom Start auf dem Sportplatz des VSV Benthe schon auf dem ersten Kilometer beinahe 30 Höhenmeter hinauf auf den „Bergrücken“. Im Startbereich stehend mahnt der Moderator, das Rennen nicht zu schnell anzugehen, der Anstieg sei hart und wir sollen nicht schon alle Körner verpulvern. So richtig gut in den Trainingsplan integriert sich der Lauf auch selten. Dieses Jahr stand aber glücklicherweise ohnehin ein Tempodauerlauf im Kalender. Das deckt sich also.
So richtig traut sich heute niemand nach vorne an die Startlinie. Das habe ich so noch nicht erlebt. Ich stehe also eher unfreiwillig in forderster Front und führe das Rennen dementsprechend auch an, als das Startsignal ertönt. So können mich wenigstens meine Kinder kurz in der Rolle des Führenden bewundern. Ich bemühe mich um ein gemäßigtes Tempo, nur allzu gut wissend, was da in Kürze waret. Da hätte es den Hinweis des Moderators gar nicht gebraucht. Nach 600 geht es auf den Berg. Bei 10 % Steigung an den fiesesten Stellen, kann man gar nicht anders als das Tempo zu reduzieren, bis man oben ist.
Hier hole ich Luft und warte, dass das Brennen in den Muskeln nachlässt. Was so ein kurzer, knackiger Anstieg doch zusetzt! Die Führung habe ich abgegeben, drei Männer und eine Frau liegen vor mir, dann überholt mich ein weiterer Läufer. Waren also augenscheinlich doch einige schnelle Läufer im Feld, die einfach nicht aus der ersten Reihe starten wollten.
Vorbei an der ersten Verpflegungsstation geht’s gen Süden, hier kann man laufen lassen, da das Gelände nur leicht wellig ist und eine abschüssige Tendenz aufweist. Auf der Südseite überhole ich die vor mir liegende Frau an einem sanften Anstieg. Wie vielter bin ich eigentlich gerade? Fünfter, wenn ich mich nicht vertan habe. Meine Pace liegt bei ungefähr 4 Minuten/km und ich fühle mich gut.
Nach dem ersten wirklich abschüssigen Streckenabschnitt hinab in das kleine Dorf Everloh weisen Streckenposten den Weg. Rechts geht es hinauf. Es ist kein steiler Anstieg, aber es zieht sich, und ich bin froh, bald wieder auf ebenerem Gelände unterwegs zu sein. Da ich mit der Strecke vertraut bin, weiß ich, das auf der Westseite des Benther Berges zwei weitere Anstiege auf mich warten.
Zunächst geht es nach gut vier Kilometern für 500 m stetig bergan, dann wartet zum Ende der ersten Runde ein 600 Meter langer Anstieg mit fast 40 Höhenmetern. Das klingt nicht viel, fetzt aber richtig. Danach ist die erste Runde vorbei und zur Belohnung darf ich mich schon auf die nächsten zwei Durchgänge freuen.
Runde 2: Wer will noch mal, wer hat noch nicht?
In einigem Abstand – Tendenz größer werdend – sehe ich noch immer den vor mir platzierten Läufer. Irgendwann auf der zweiten Runde verliere ich ihn sogar ganz aus den Augen. Den bekomme ich nicht mehr. Was hinter mir geschieht, weiß ich nicht, weil ich mich nicht umdrehen möchte. So laufe ich allein mein Rennen. Erst nach der Steigung in Everloh verläuft die Strecke so, dass ich einen Blick zurück werfen kann.
Tatsächlich ist ein ganzer Pulk von Läufern hinter mir, aber der Abstand ist relativ groß. Das sind sicherlich mehrere hundert Meter. Umso verwirrter bin ich, als kaum einen Kilometer später schon Läufer zu mir aufschließen. Das müssen die 10-Kilometer-Läufer sein, es geht gar nicht anders. Immerhin bin ich jetzt nicht mehr so allein auf der Strecke. Das Tempo der Führenden kann ich allerdings bei weitem nicht mitgehen. Andererseits: Überlaufen werde ich auch nicht gerade.
Am Ende der zweiten Runde beneide ich die 10-Kilometer-Läufer darum, dass sie geradeaus weiterlaufen dürfen, während ich erneut einen Rechtsschwenk vollziehen und den Anstieg zum „Gipfel“ antreten muss. Wieder schaffe ich es langsam laufend hinauf, aber einfacher wird das mit zunehmender Ermüdung auch nicht. In den Vorjahren habe ich es nicht immer ohne Wandereinlage geschafft. Aber auch hier gilt: Den Tag nicht vor dem Abend loben. Es bleibt ja noch eine weitere, die letzte Runde, und die ist erfahrungsgemäß am fiesesten.
Runde 3: Crunch Time!
Kurz nach dem Ende des Anstiegs stehen Streckenposten, die verhindern sollen, dass jemand zu früh Richtung Ziel abbiegt. Dafür müsste man einfach links hinunter zum Sportplatz, anstatt geradeaus nach Süden zu laufen. Da die Posten es sich nicht nehmen lassen, jeden Läufer und jede Läuferin lautstark anzufeuern, horche ich diesmal genau hin. Kommt da nach mir jemand? Und wenn ja, wie weit hinter mir liegt dieser Jemand? Ich kann nichts hören, aber das hat nichts zu bedeuten. Das Blut rauscht in meinen Ohren, mein Atem geht stoßweise und meine Füße stapfen über den feuchten Waldboden. Keine Idealbedingungen für angestrengtes Lauschen.
Aber so weit ich mitbekomme, ist in unmittelbarer Nähe niemand, der sich zum Überholen anschickt. Das freut mich. Ist zwar bedeutungslos, aber irgendwie auch nett, so weit vorne zu liegen. So komme ich vor meiner Rasselbande wenigstens nicht in Erklärungsnot. Als die mich zum letzen Mal gesehen habe, lag ich noch vorne…
Nochmals umrunde ich den Berg auf der Südseite und nutze am Ende des Sonnenhangs den Streckenverlauf für einen Kontrollblick zurück. Nein, da ist niemand. Vor mir nicht und hinter mir auch nicht. So bin ich komplett frei von jedem Druck. Ich habe mir nichts vorgenommen für heute und verfolgt werde ich auch nicht mehr. Das ist vielleicht ganz gut so, denn die Belastung ist nicht spurlos an mir vorbei gegangen. Ich lenke mich mit der herbstlichen Landschaft ab.
Manchmal passiere ich jetzt Teilnehmer des Walking-Wettbewerbs, dann sogar einige Halbmarathonläufer, die noch auf ihrer zweiten Runde sind. Das ist mir etwas unangenehm. Wer möchte denn bitte schön überrundet werden? Eine der beiden Läuferinnen nimmt mir ein wenig von meinem schlechten Gewissen. Mit einem Seitenblick sagt sie anerkennend: „Hammer!“. Ich freue mich über das Kompliment.
Ich freue mich auch darauf, dass das Rennen bald vorbei ist. Aber vor das Ende hat der Streckenverlauf noch einen letzten Hügel gesetzt. Auf den freue ich so gar nicht. Ein Streckenposten muntert mich auf: „Komm, das letzte Mal“. „Gott sei Dank!“ gebe ich lächelnd zurück und mache mich an den Aufstieg.
Kann es sein, dass der Hügel mit jedem Durchlauf länger wird? Und steiler? Mistviech! Die Radfahrer und Spaziergänger, die mir entgegen kommen, denken sich wahrscheinlich ihren Teil. Bloß nicht nach oben blicken! Stumpf richte ich meinen Blick auf den herbstlichen Waldboden und bin extrem dankbar für das etwas flachere Mittelstück. Dann endlich bin ich da, wo mein Puls schon seit ein paar Minuten ist: oben.
Am letzten Streckenposten ruft mir eine Helferin „Sechster!“ zu. „What?!?“, ich habe mich doch wohl nicht verzählt! Als Läufer habe ich eine Affinität für Zahlen. Egal, jetzt sollte ich meine Gedanken auf den Weg vor mir lenken. So kräftezehrend der Weg hinauf war, so heikel ist der Weg hinab. Der Boden ist feucht und mit Laub bedeckt. Bloß nicht auf die Klappe legen, das hatte ich zuletzt im Training.
Es geht gut, ich komme heile am Fuße des Berges an und kann den letzten halben Kilometer in Angriff nehmen. Über Straßen geht es zurück zum Sportplatz und schließlich nach 1:33:54 Std. ins Ziel. Ich bin platt, freue mich aber sehr. Nicht so sehr über die Platzierung, sondern die Zeit. Es sind fast 3:30 Minuten weniger als bei meiner bisherigen Bestzeit hier. Und gefühlt war es nicht halb so anstrengend.
Das kam unverhofft! Seit Wochen bin ich auf der Suche nach meiner Form und habe immer wieder Motivatinsprobleme. Da tut so ein überraschend guter Lauf richtig gut. Zumal nur noch eine gute Woche Zeit ist, bis zum Köln Marathon.
Ich freue mich aber noch über etwas anderes. Aufregend plappernd empfangen mich meine Kinder und können es gar nicht aushalten, mir von ihren Urkunden zu berichten. Sie sind mindestens genauso stolz auf sich und ihre Leistung wie ich auf sie. Und irgendwie sind sie auch stolz auf mich. Das freut mich am allermeisten. Blöd ist nur, dass sie Antworten auf ihre vielen Fragen erwarten, ich aber noch gar nicht wieder genug Atem geschöpft habe, um ihnen Rede und Antwort zu stehen. Zeit, sie mit Kuchen zum Schweigen zu bringen.
Der Lauf im Überblick
Distanz | 21, 8 km |
Zeit | 1:38:08 Std. / 4:30 min/km |
Platzierung | 5. von 76 Teilnehmern |
AK-Platzierung | 3. von 8 |
Strecke | Im Wesentlichen geht es um den Benther Berg, wobei man ihn auf keiner der drei Runden vollständig umläuft. Wie der Name vermuten lässt, gibt es einige Höhenmeter zu überwinden, vor allem eingangs der ersten Runde sowie in jeder Runde hinauf zum "Gipfel". Absperrungen gibt es kaum, sodass man gerne auch Radfahrer und Fußgänger auf den Forstwegen trifft. |
Besonderheiten |
Der Lauf im Vergleich
Veranstaltung | Datum | Zielzeit | Pace | Differenz zur Bestzeit |
03.10.2019 | 18. Benther-Berg-Lauf | 01:33:58 | 4:19/km | |
03.10.2018 | 17. Benther-Berg-Lauf | 01:37:23 | 4:28/km | 00:03:25 |
03.10.2016 | 15. Benther-Berg-Lauf | 01:37:51 | 4:29/km | 00:03:53 |
03.10.2017 | 16. Benther-Berg-Lauf | 01:38:08 | 4:30/km | 00:04:10 |
Viel Erfolg in Köln! Ich werd versuchen ihn auch dort zu haben
Danke. Bin in letzter gar nicht dazu gekommen, deine Beiträge zu lesen. Da hat sich ja einiges getan.